aktiv NRW Nr. 2023.02

Gesundheitstage: Vom Arbeitsplatz direkt zur Vorsorge – bei Risse + Wilke jährlich im Programm. Da macht auch Sina Schäfer mit. Wo sind die Väter? Noch nutzen nur Mitarbeiterinnen das Kita-Angebot der KB Schmiedetechnik. Doch das dürfte sich ändern. Homeoffice: Für Torsten Schneider im Drahtwerk Elisental macht es das Leben oft leichter. Muckibude der Firma Schmidt + Clemens: Azubi Louis Leimbach nutzt das Angebot rege. einer neuen Väterstudie der Beratungsfirma Prognos, im aktiv-Interview. Firmen, die das nicht auf dem Zettel haben, werden im Ringen um Personal den Kürzeren ziehen. Mal eben zum Gesundheitscheck, ohne Rumsitzen im Wartezimmer? Das Unternehmen Risse +Wilke in Iserlohn konnte seinen Mitarbeitern diesen Service kürzlich bieten. Zwei Gesundheitstage mit dem vollen Vorsorgeprogramm direkt im Betrieb: Großes Blutbild, Organultraschall, Herz-StressAnalyse, gesunde Snacks – die Termine waren ausgebucht. 120 von 350 Mitarbeitern hätten teilgenommen, zieht Sina Schäfer, Sekretärin des Betriebsrats bei dem Stahlproduzenten in Iserlohn, Bilanz: „Auch viele Männer waren dabei. Normalerweise gehen die ja nicht gern zum Arzt“, weiß Schäfer, eine der Organisatoren der Gesundheitstage, die auch 2023 stattfinden werden. Die kamen auch bei Sergio Herrero Jimenez (41) gut an. Der Industriemechaniker unterzieht sich jedes Mal einem Rückencheck. „Außerdem möchte ich immer gern ein großes Blutbild“, sagt er. Die Checks im Betrieb seien praktisch:„Normalerweise muss mich meine Frau schon zum Arzt schicken, wenn es bei mir irgendwo zwickt.“ Und jetzt können die Mitarbeiter über ihren Arbeitgeber auch günstig E-Bikes leasen – und so was für Umwelt und Fitness tun: „Ein tolles Angebot“, findet Herrero Jimenez. Auch beim Unternehmen Schmidt + Clemens im rheinischen Lindlar hat man die Gesundheit im Blick. Die Muckibude des Weltmarktführers bei Rohrsystemen für die Petrochemie wird rege genutzt. Etwa von Louis Leimbach (19), angehender Elektroniker für Betriebstechnik. Der Azubi trainiert dreimal die Woche jeweils anderthalb Stunden an den Kraftmaschinen. „Nach der Arbeit einfach hochgehen, umziehen, los geht’s. Das Angebot ist einfach top“, sagt Leimbach. Ohne dieses kostenlose Angebot müsste er fünf Kilometer zum nächsten Studio fahren. Auch sein Vater, Ausbildungsleiter im Unternehmen, nutze das Angebot gern. Im Drahtwerk Elisental in Neuenrade steht den Beschäftigten ebenfalls ein Fitnessstudio zur Verfügung. Das kann – genauso wie das Fahrradleasing oder die regelmäßige Gesundheitsvorsorge – auch von Partnern und Kindern genutzt werden. Die ganze Familie profitiert. Und geht es den Eltern gut, haben alle was davon – der Arbeitgeber eingeschlossen. Gesunde und zufriedene Mitarbeiter sind motivierter. Ein Beispiel ist Torsten Schneider (45), in der Firma Leiter Business Development. Der Vater von zwei Kindern arbeitet öfter mal im Homeoffice: „Eine feine Sache, die uns viel Flexibilität bietet und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vereinfacht, was letztlich zu weniger Ausfallzeiten der Beschäftigten führt.“ Über Videomeetings tauscht sich Schneider mit Kollegen und Kunden aus: „Früher fuhr ich 40.000 bis 50.000 Kilometer im Jahr, jetzt komme ich auf die Hälfte.“ Zur Kita sind es nur ein paar Schritte Angelika Schulte, Chefin von KB Schmiedtechnik in Hagen, hat vor zehn Jahren mit der Eröffnung einer Kindertagesstätte und einer Physiotherapiepraxis auf dem Betriebsgelände Maßstäbe gesetzt. Die kurzen Wege zur Kita, die Plätze für die „Firmenkinder“ vorhält, und zahlreiche Gesundheitsangebote sind ein echter Pluspunkt. Nun kann nicht jedes Unternehmen eine Kita gründen. Die Beispiele aus der Metall- und Elektro-Industrie zeigen aber dennoch, wie tief das Thema Familienfreundlichkeit schon in vielen Firmen verankert ist – und dass diese zunehmend auch auf die Wünsche der Väter eingehen. Wie bei Dominik Naumann, dem entspannten Vater zwei kleiner Söhne. HILDEGARD GOOR-SCHOTTEN/ WILFRIED HENNES Balance FOTO: DRAHTWERK ELISENTAL FOTOS: AKTIV/DANIEL ROTH (2) FOTO: PRIVAT „ Firmen müssen mehr für die Väter tun Düsseldorf. Die schönen Stunden mit den Kleinkindern lassen sich nicht nachholen: Das weiß auch David Juncke (44) von der Beratungsfirma Prognos, selbst Vater von zwei kleinen Söhnen. Er ist einer der Autoren einer neuen Väterstudie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Sie haben Firmen und Väter befragt – was sind die zentralen Ergebnisse? Väter möchten sich heute mehr in die Familie einbringen – und das hat Folgen. Die Männer sind jetzt eher geneigt, den Arbeitgeber zu wechseln, wenn es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht klappt. Gibt es da Zahlen? 450.000 haben schon den Arbeitgeber gewechselt. Und 1,7 Millionen denken zumindest hin und wieder darüber nach, es zu tun. Das haben wir aus den Ergebnissen unserer Studie hochgerechnet. Väterfreundlichkeit – das ist kein Nischenthema. Wissen das die Personalchefs? Leider längst nicht alle. Dabei sollten sie das Thema wegen des Fachkräftemangels auf dem Zettel haben. Viele Firmen sollten mehr für die Väter tun. Aber es geschieht doch schon viel. Klar, ein Viertel der Firmen sind da schon richtig gut – bieten die große Palette von Homeoffice, flexiblen Arbeitszeiten, Kita und Elternzeit. 15 Prozent haben kaum etwas im Angebot. Und die große Masse dazwischen? Die sind unterschiedlich gut aufgestellt, haben aber vor allem die Mütter im Fokus. Dazu kommt: Wichtig ist es, die flexiblen Regelungen hinsichtlich der Arbeitszeit auch zu leben. Wenn eine Führungskraft nicht ganz Vollzeit arbeitet, entsteht eine Unternehmenskultur, bei der Männer eher den Mut aufbringen, ihre Erwartungen an eine gute Balance von Familie und Beruf zu äußern. Wo hakt es noch besonders? In Branchen des Verarbeitenden Gewerbes. Da, wo überdurchschnittlich viele Männer arbeiten. Aber auch hier kommt einiges in Bewegung. Väter, die beruflich zurückstecken, gelten nicht mehr gleich als Weicheier. Führungskräfte, die das Thema vorantreiben … …sind äußerst wichtig. Betriebe mit männlichen und weiblichen Führungskräften nehmen Väterfreundlichkeit ernster als Betriebe, in denen die Führungsebene nur aus Männern besteht – egal in welcher Branche. WH 18. März 2023 aktiv 9 Interview FOTO: ANNETTE KOROLL

RkJQdWJsaXNoZXIy MTY0MjU0Ng==