aktiv-ausgabe- hessenmetall-2022-Mai

Ihre Meinung zum Thema? leitartikel@aktiv-online.de FOTO: PHOTOCREO.COM – STOCK.ADOBE.COM Lohn-Preis-Spirale wäre gefährlich Inflation Teuerung setzt auch die Betriebe stark unter Druck In der Indus­ trie drohen vielen Betrie­ ben Ertrags­ einbußen. Im Dienstleis­ tungsbereich hoffen dage­ gen viele, dass die Verbraucher angespartes Geld nun ausgeben. gen, müssen die Unternehmen ihre Preise weiter erhöhen, was wiederum zu noch höheren Lohnforderun- gen führt – und so weiter. Am Ende ginge das wirtschaftliche Wachstum komplett in die Knie, gäbe es nur Verlierer. Dass die Tarifparteien in Kri- senzeiten der schwierigen Gesamt- situation durchaus Rechnung tragen, zeigte sich im laufenden Jahr sowohl in der Chemie, in der Druck-Industrie als auch bei Banken und Versicherun- gen. Abzuwarten bleibt, wie sich das weitere Tarifjahr 2022 entwickelt. In die richtige Richtung geht jedenfalls auch das Maßnahmenpa- ket der Bundesregierung: Höherer Grundfreibetrag, höherer Arbeitneh- merpauschbetrag, höhere Entfer- nungspauschale für Fernpendler plus einmalige Energiepreispauschale und Kinderbonus – all das soll entlasten. Und vorausgesetzt, die derzeitigen Krisen verschärfen sich nicht noch weiter, dürften sich die Preise mit- telfristig zudem wieder beruhigen. So erwarten Wirtschaftsforscher für 2022 zwar eine Teuerung von durch- schnittlich 6,3 Prozent in Deutsch- land. Doch 2023 soll die Rate wieder auf 2,7 Prozent absinken. Das sind die aktuellen Zahlen von Consensus Forecast. Ihnen zugrunde liegen die Einschätzungen von rund 30 For- schungsinstituten und Banken. Löhne stiegen jahrelang schneller als die Teuerung Hinzu kommt: In den letzten Jahren konnten sich die allermeisten Arbeitnehmer über echte Reallohn- zuwächse freuen. So kam allein seit 2015 ein Entgeltplus von insgesamt fast 15 Prozent zusammen – deutlich mehr als der Anstieg der Verbrau- cherpreise von rund 9 Prozent. STEPHAN HOCHREBE Berlin. Unternehmen und Verbrau- cher ächzen unter der spürbaren Teuerung derzeit. Was kommt da noch auf uns zu? Lieferengpässe, Rohstoffman - gel, Putins Angriffskrieg: Das brachte zuletzt auch die Preise ins Laufen, vor allem für Energie: Erdgas war im März durchschnittlich um 145 Pro- zent teurer als im Vorjahresmonat, Strom 85 und Heizöl 131 Prozent. Wegen der stark steigenden Energiepreise verschieben viele Be- triebe etwa Investitionen und planen, ihre Preise zu erhöhen. Das ergab eine Firmenumfrage des Ifo-Insti- tuts für die Stiftung Familienunter- nehmen. Jeder zehnte Betrieb denkt sogar darüber nach, energieintensive Geschäftsfelder aufzugeben. Verbraucher achten jetzt verstärkt auf die Preise Wie die Verbraucher auf die ge- stiegenen Preise reagieren, zeigt eine Allensbach-Umfrage: Jeder Zweite will mehr auf seine Ausgaben achten und zurückhaltender heizen, jeder Dritte weniger Auto fahren. Dagegen plant nur jeder Fünfte weniger Ur- laube oder will größere Anschaffun - gen verschieben. Da drängt sich die Frage auf: Werden die Gewerkschaften ver- suchen, kräftige Lohnsteigerungen durchzusetzen? „Das wäre derzeit fatal“, urteilt Hagen Lesch, Tarif­ experte im Institut der deutschen Wirtschaft. Denn dann würde sich der Preisdruck weiter verstärken – und eine sogenannte Lohn-Preis-Spirale droht: Wenn nämlich die Löhne ohne Rücksicht auf die Produktivität stei- „ Die richtigen Lehren ziehen VON THOMAS GOLDAU, REDAKTIONSLEITER Die Belagerung des Stahlwerks von Mariupol, in dem sich auch Kinder be- finden, das Grauen von Butscha und anderen Orten in der Ukraine: All das offenbart die Unmenschlichkeit der russischen Armee in ihrem Angriffs - krieg. Es ist absolut richtig, dass der Westen daraufhin seine Sanktionen weiter verschärft hat. Zahlreiche Unternehmen in Deutschland tragen seit Kriegsaus- bruch mit dazu bei, Russlands Diktator Wladimir Putin zu schwächen: Liefer- stopps, Kündigung der Verträge mit russischen Partnern, oft sogar Schlie- ßung eigener Werke oder Geschäfte in Russland sind ein Kraftakt. Jetzt kommt es darauf an, die richtigen Leh- ren für die Zukunft zu ziehen. Dass Deutschland dauerhaft (aber nicht überstürzt!) wegkommen muss von russischem Erdgas, ist keine Frage. Neue Energiepartnerschaften mit Roh- stofflieferanten in aller Welt können uns unabhängiger machen von einzel- nen Lieferstaaten. Zugleich muss jetzt noch viel mehr geschehen, damit wir auf Erdgas, Öl und Kohle ganz verzich- ten können – so schnell wie verträglich machbar. Schnellere Genehmigungs- verfahren, weniger Bürokratie, zügiger Ausbau der notwendigen Infrastruktur: Das steigert ganz nebenbei auch unsere Wettbewerbsfähigkeit. Es ist grundsätzlich richtig, die Energiewende massiv voranzutreiben, auch wenn manche Umwege derzeit unumgänglich sind. In der aktuellen Lage darf es keine Denkverbote geben. Lohn- und Preisentwicklung im Vergleich (Index, 2015=100) Tarifverdienste Verbraucherpreise Tarifverdienste einschließlich Nebenvereinbarungen wie zum Beispiel Weihnachts- und Urlaubsgeld; Quellen: Bundesbank, Statistisches Bundesamt aktiv 114,6 2021 109,1 2021 100 2015 2 7. Mai 2022 aktiv Nr. 5 Meinung aktiv Meine Arbeit. Mein Leben. Meine Zukunft. Die Wirtschaftszeitung aktiv richtet sich an Arbeitnehmer von etwa 3.200 Industriebetrieben und ihre Familien. Sie erscheint unter dem Dach des Instituts der deutschen Wirtschaft und wird von rund 40 Arbeitgeberverbänden finanziert. So erreichen Sie die Redaktion E-Mail: redaktion@aktiv-online.de Internet: aktiv-online.de/Kontakt facebook.com/aktiv.online.de de.linkedin.com/showcase/aktiv-online twitter.com/aktiv_online Anschrift: Postfach 10 18 63, 50458 Köln Fragen zum Bezug und zur Zustellung E-Mail: vertrieb@aktiv-online.de

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