aktiv NRW Nr. 2023.02

Ihre Meinung zum Thema? leitartikel@aktiv-online.de Landwirt beim Spritzen: Die EU will den Einsatz der Mittel bis 2030 halbieren. werden. Das fordert auch der Agrochemie-Herstellerverband IVA. Große Sorgen bereiten Bauern und Branche die Verbotszonen, in denen die 950 Pflanzenschutzmittel (insgesamt 280 Wirkstoffe) tabu wären. „Bleibt es wie geplant, betrifft das 5 Millionen der 11,5 Millionen Hektar Ackerfläche hierzulande“, sagt Meierhöfer. „Das macht Ackerbau in vielen dieser Gebiete unmöglich.“ Und gefährde die Existenz zahlreicher Bauern. Konkret: Obst und Gemüse gäbe es viel weniger, bei Kartoffeln und Zuckerrüben drohten Jahre mit Totalausfall, viele Weinbaugebiete stünden vor dem Aus, und die Getreideernten würden um 7 auf etwa 35 Millionen Tonnen schrumpfen. Nahrungsmittel würden teurer. „Dazu brauchen wir dringend eine umfassende Folgenabschätzung durch die EU“, fordert Meierhöfer. Denn Nahrung ist wegen des Ukraine-Kriegs knapp, etwa in Afrika und dem Nahen Osten. „Wir Europäer würden ärmeren Ländern dann mehr Lebensmittel wegkaufen.“ Zudem kritisiert der Agraringenieur die „übertriebenen Dokumentationspflichten“. Vor jedem Pestizid-Einsatz seien alle Alternativen zu prüfen. „Das ist, als müsse man vor jeder Autofahrt begründen, warum man nicht Rad oder Bahn nutzt.“ Schon jetzt gelten strenge Regeln. Alle drei Jahre müssen Bauern ihre Sachkunde nachweisen. Überhaupt nimmt der Verbrauch ab: seit 2014 um fast 20.000 Tonnen auf 86.500 Tonnen im Jahr. Wie wäre da noch weniger zu schaffen? Gibt es Alternativen zum EU-Plan? Mit Hightech lassen sich künftig gezielt Areale oder einzelne Pflanzen besprühen Hier nennen Experten zuerst die Digitalisierung. 10 Milliarden Euro wollen Agrochemie-Hersteller in diesem Jahrzehnt in die Hightech-Landwirtschaft investieren. Kamera- oder sensorgesteuerte Spritzen etwa können gezielt befallene Areale und sogar einzelne Pflanzen besprühen. Meierhöfer: „Bis 2030 sollten sich damit 30 Prozent oder sogar mehr einsparen lassen.“ Eine Hoffnung sind auch neuartige Mittel, die wie Corona-Impfstoffe den Botenstoff RNA nutzen. Meierhöfer: „Damit kann man Schäd- linge zielgenau bekämpfen, ohne andere Tiere zu treffen.“ Die könnten in fünf bis acht Jahren kommen. Und dann sind da Insekten- und Vogelvielfalt. Sie lassen sich durch miteinander verbundene Biotope wie Hecken, Wiesen, Grünstreifen fördern. Noch ist die Verordnung nicht beschlossen. Bei den Verbotszonen deutete die Kommission Kompromissbereitschaft an. Vielleicht gibt es auch bei den innovativen Methoden Bewegung. HANS JOACHIM WOLTER Berlin. Rüsselkäfer im Raps, Knollenfäule an Kartoffeln, Mehltau im Weinberg: Schädlinge können rasch große Teile der Ernte vernichten. Dagegen helfen Pflanzenschutzmittel. In Zukunft sollen Landwirte die Substanzen gar nicht mehr spritzen oder weniger verwenden. Denn die EU will den Einsatz der Stoffe bis 2030 um die Hälfte verringern. So sieht es eine neue Pflanzenschutzverordnung („Sustainable Use Regulation“) vor, an der Brüssel derzeit arbeitet. In Vogel-, Natur- und Landschaftsschutzzonen würden die Stoffe verboten. Landwirte müssten jeden Einsatz detailliert dokumentieren. Fast jeder zweite Hektar würde zur Verbotszone Die EU begründet das mit Gesundheitsschutz und Insektensterben. „Die Zeit chemischer Pestizide ist vorbei“, kündigt Kommissarin Stella Kyriakides an. Umweltschützer begrüßen das, Bauern protestieren. Agraringenieur Johann Meierhöfer, Leiter des Fachbereichs Pflanzliche Erzeugung beim Bauernverband DBV, kritisiert den Entwurf als überambitioniert: „Wenn man das so umsetzt, riskiert man die Ernährungssicherheit in Deutschland und Europa!“ Die Verordnung müsse überarbeitet 86.500 Tonnen Pflanzenschutzmittel wurden 2021 verkauft Quelle: BVL FOTO: KARA – STOCK.ADOBE.COM Streit um Chemie auf dem Acker Umweltschutz Bauern sehen durch EU-Pläne Versorgung mit Nahrungsmitteln gefährdet – und schlagen Alarm „ Mehr Mut bitte – weniger Bedenken! VON THOMAS GOLDAU, REDAKTIONSLEITER Künstliche Intelligenz – für die meisten von uns bislang etwas Abstraktes und irgendwie weit weg – revolutioniert gerade unser Leben. Der Text-Generator ChatGPT produziert anspruchsvolle Inhalte. Es weiß fantastisch viel und ist genauso simpel zu bedienen wie Google. Eine deutsche Schülerin beispielsweise übertrug ihm erfolgreich diese Englisch-Hausaufgabe: „Schreibe einen Essay über die Doku-Reihe ‚Blood, Sweat and T-Shirts‘ aus der Sicht eines britischen Reporters.“ Was derzeit über alle Schulen hereinbricht, wird auch die Arbeitswelt ganz schnell grundlegend verändern – in Büros von Industriebetrieben genauso wie etwa in Redaktionen. So überraschend, wie es für uns alle zu diesem technologischen Durchbruch kam, so zuverlässig stellen sich jetzt Bedenken ein: Ist das nicht mal wieder gefährlich? Werden wir alle überflüssig? Leider typisch deutsch. Überflüssig natürlich nicht. Zumal ein Chatbot schwerlich die Jobs von Facharbeitern gefährdet. Schon die Industrieroboter haben unterm Strich keine Jobs vernichtet, sie aber verändert und produktiver gemacht. Deshalb: Auf den Chatbot einlassen sollten wir uns schon. Lehrer könnten diese Hausaufgabe einfordern: „Erstelle einen Text mit ChatGPT und bewerte das Ergebnis.“ Denn die Jugendlichen nutzen die neue Technologie sowieso. Nehmen wir ihre Experimentierfreude zum Vorbild. Es wird uns weiterbringen. Und es macht Spaß. 2 aktiv 18. März 2023 Meinung aktiv Meine Arbeit. Mein Leben. Meine Zukunft. Die Arbeitnehmer-Publikationen der IW Medien richten sich an die Beschäftigten von 3.000 Industriebetrieben und ihre Familien. Sie erscheinen unter dem Dach des Instituts der deutschen Wirtschaft und werden von rund 30 Arbeitgeberverbänden finanziert. So erreichen Sie die Redaktion E-Mail: redaktion@aktiv-online.de Internet: aktiv-online.de/Kontakt facebook.com/aktiv.online.de de.linkedin.com/showcase/aktiv-online twitter.com/aktiv_online Anschrift: Postfach 10 18 63, 50458 Köln Fragen zum Bezug und zur Zustellung E-Mail: vertrieb@aktiv-online.de

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